Handeln

Was wäre, wenn?

Eine Kurzfassung unserer wichtigsten Schlussfolgerungen und abgeleiteten Handlungs­empfehlungen aus der Umfrage zum aktuellen Stand der Umsetzung der KOKES-Empfehlungen im Kanton Aargau.

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Spezialisierung Kindesschutz Erwachsenenschutz

Strukturen überdenken

KOKES-Empfehlungen

Die KOKES empfiehlt als Grundmodell eine spezialisierte Organisation entweder für die Mandatsführung im Kindesschutz oder die Mandatsführung im Erwachsenenschutz. Die Gründe dafür sind: zunehmende Komplexität der Mandate, unterschiedliche Netzwerkpartner, stetige Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie hohe Erwartungen an die Beistandspersonen.

Um eine lückenlose Präsenz mit Stellvertretung auch in Ferienzeiten und eine gegenseitige Unterstützung sicherzustellen, geht die KOKES von einer Mindestorganisationsgrösse von 10 bis 14 Mitarbeitenden pro spezialisierte Organisation aus. Die Einzugsgebiete der Berufsbeistandschaften und der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) sollen dabei deckungsgleich sein.

Der Ansatz, Dienste zu regionalisieren, ist grundsätzlich der richtige Weg.

Michael Widmer | Verwaltungsleiter und
Gemeindeschreiber der Gemeinde Frick

Schlussfolgerung: Würden sich die Berufsbeistandschaften nach den Einzugsgebieten der Bezirksgerichte als Kindes- und Erwachsenenschutz- behörden richten, gäbe es im Kanton Aargau nur noch grosse Dienste. Das würde eine Spezialisierung der Organisationen im Kindes- und Erwachsenenschutz vereinfachen.

Handlungsempfehlung: Es wird empfohlen, unabhängig der Organisationsgrösse die Bereiche Kinder und Erwachsene zu spezialisieren. Alternativ könnten interkommunale, solidarisch finanzierte Zusammenschlüsse von kleineren und mittleren Diensten angestrebt werden, um eine für die Spezialisierung geeignete Grösse zu erreichen. Als Vorbild dienen die bereits bestehenden Gemeindeverbände.

Ressourcen

Personelle Ressourcen anpassen

KOKES-Empfehlungen

Zu den personellen Ressourcen hat die KOKES detaillierte Empfehlungen verfasst. Das Faktenblatt KOKES kann unter FAKTEN abgerufen werden.

Schlussfolgerung: Die interne Erfassung der Fallbelastung ist zwingend notwendig, um den Ressourcenbedarf zu bestimmen. Durch die hohe Fluktuation von Mitarbeitenden ist eine nahtlose Mandatsübergabe und -fortführung kaum realisierbar und wird durch den Fachkräftemangel zusätzlich erschwert. Die übrigen Mitarbeitenden müssen so noch mehr Mandate führen und für eine sorgfältige Übergabe an die neue Mandatsperson besorgt sein. Die von der KOKES empfohlenen personellen Ressourcen sind mehrheitlich nicht vorhanden.

Wird die Mindestgrösse unterschritten, ist man von
einzelnen Personen abhängig.

Christian Bolt | Präsident Soziale Dienstleistungen Region Brugg

Handlungsempfehlung: Es wird jedem Dienst und seiner Trägerschaft empfohlen, den personellen Bedarf gemäss KOKES-Empfehlungen mit einem datenbasierten Erfassungssystem zu prüfen und eine Strategie zu entwickeln, um die notwendigen Ressourcen zu schaffen.

Der Vorstand der VABB wird beauftragt, die Präsidien der Gemeindeammänner-Vereinigung des Kantons Aargau (GAV), Verband Aargauer Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber (VAGG) und Verband Aargauer Gemeindesozialdienste (VAGS) zu diesem Thema zu sensibilisieren, mit dem Ziel, eine gemeinsame Positionierung bzgl. personeller Ressourcen für den Kanton Aargau zu verfassen.

Qualifikation der Beistands­person

Breite Weiter­bildungen etablieren und fördern

KOKES-Empfehlungen

Um qualitativ hochwertige Leistungen zu erbringen, benötigen die auf einer Berufsbeistandschaft arbeitenden Personen spezifische fachliche Profile.

  • Leitung: Abschluss auf Tertiärstufe in Sozialer Arbeit und/oder Recht mit Zusatzqualifikation und/oder langjähriger Erfahrung im Management- und Führungsbereich. Erfahrung in praktischer Mandatsführung ist von Vorteil.
  • Stabsstelle Qualitäts-/­Wissens­management: Erfahrung als Beistandsperson, gekoppelt mit einer Weiterbildung im Qualitätsmanagement.
  • Beistandsperson: Abschluss auf Tertiärstufe in Sozialer Arbeit mit guten Rechtskenntnissen, teamergänzend sind weitere Abschlüsse denkbar.
  • Administration/­Buchhaltung: Abschluss auf Stufe EFZ im kaufmännischen Bereich mit Weiterbildung in Buchhaltung und/oder im Sozialversicherungsbereich.
  • Rechtsdienst: Abschluss auf Tertiärstufe (lic. iur, Master, Bachelor, Rechtsfachleute HF, Rechtsagent) und Erfahrung in Zivilrecht, Sozialversicherungs- und Sozialhilferecht, Vermögensverwaltungsrecht, allgemeines Verwaltungsrecht und/oder (Jugend-)Strafrecht.

Schlussfolgerung: Hier besteht auf allen Ebenen Handlungsbedarf, unter anderem aufgrund des vorherrschenden Fachkräftemangels.

Handlungsempfehlung: Als Voraussetzung beider Kompetenzbereiche Kinder und Erwachsene ist grundsätzlich eine abgeschlossene Ausbildung auf Tertiärstufe in Sozialer Arbeit mit guten Rechtskenntnissen erforderlich.

Ein Studium in Sozialer Arbeit reicht nicht aus. Hochschulen bieten Weiterbildungen im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes an. Die Etablierung und Förderung von internen und externen Weiterbildungen ist dringend notwendig. Der Zugang zu einer Rechtsberatung soll in allen Diensten etabliert werden. Wichtig ist, dass die Beratung auch hier durch qualifizierte Personen erfolgt.

Qualitäts- und Wissensmanagement

Wissen und Erfahrung zugänglich machen

KOKES-Empfehlungen

Um die Kompetenzen bei den einzelnen Beistandspersonen sicherzustellen und wo erforderlich auszubauen, sind sowohl interne als auch externe Unterstützungsangebote einzurichten.

Ein zentrales Instrument der Qualitätssicherung und -entwicklung in der Mandatsführung sind interne Fallbesprechungen. Zur Unterstützung der Arbeit der Beistandspersonen sind eine Leitung, eine Stabsstelle für das Qualitäts-/Wissensmanagement, administrative Unterstützung sowie ein interner oder externer Rechtsdienst unabdingbar.

Die Kompetenzen und Erfahrungen, die es braucht,
müssen in der Organisation gebündelt abgebildet werden.

Christian Bolt | Präsident Soziale Dienstleistungen Region Brugg

Schlussfolgerung: Nur rund die Hälfte der Organisationen verfügt über ein Qualitäts- und Wissensmanagement. Der Fokus liegt dabei auf der Entwicklung von Prozessen. Das Wissensmanagement wird schwach gewichtet.

Handlungsempfehlung: Die Weiterbildung sollte über alle Organisationsgrössen hinweg stärker gewichtet werden. VABB und Hochschulen bieten zahlreiche Weiterbildungsangebote an. Mitarbeitende sind bei der Wahl der Weiterbildung frei. Das Ziel ist, ein möglichst breites Spektrum abzudecken und nicht vorhandenes Wissen aufzubauen und dem ganzen Dienst zugänglich zu machen. Zur Aufrechterhaltung der Qualität und des Wissens sind die Dienste verpflichtet, in die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden zu investieren und dafür sind finanzielle Ressourcen bereitzustellen.

Private Mandats­personen

Ausbildungs­angebote schaffen

KOKES-Empfehlungen

Abklärungen im Kindes- und Erwachsenenschutz sowie die Rekrutierung, Instruktion und Begleitung von privaten Beistandspersonen sind Aufgaben der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB.

Je nach kantonaler Organisation können diese Aufgaben ganz oder teilweise an andere Organisationen delegiert werden.

Ich habe Menschen gern, bin neugierig und finde es spannend,
Menschen auf ihren Lebenswegen zu begleiten

Esther Riedo | Berufsbeiständin, Leiterin Soziale Dienste
Gemeinde Meisterschwanden

Schlussfolgerung: Private Mandatspersonen sind wichtig. Sozialpolitisch wird der Einsatz von privaten Mandatsträgern durch die KESB gefordert.

Kaum ein Dienst im Kanton hat sich bisher der Schulung und der Ausbildung privater Mandatspersonen angenommen.

Handlungsempfehlung:Für die Ausbildung müssen Ressourcen geschaffen werden. Die anstehende Änderung des Erwachsenenschutzrechts im ZGB ist zu berücksichtigen, wonach zuerst zu prüfen ist, ob eine nahestehende Person die Beistandschaft übernehmen kann.

Im Hinblick auf die demografische Entwicklung ist es prüfenswert, einen Pool von privaten Mandatspersonen aufzubauen. Die Schaffung einer kantonalen Fachstelle für die Rekrutierung, Schulung und Betreuung von privaten Mandatspersonen ist zwingend zu prüfen.

Vorgelagerte Dienst­leistungen

Vorgelagerte Dienste bringen Entlastung

KOKES-Empfehlungen

Die KOKES empfiehlt, vorgelagerte Dienstleistungen (wie Mütter-/Väterberatung, Kinder- und Jugendberatung, Schulsozialarbeit, persönliche Sozialhilfe etc.) anzubieten und mit den nötigen Ressourcen auszustatten, damit die Berufsbeistandschaften entlastet werden können.

Vorgelagerte Dienste entlasten den Kindes- und
Erwachsenen­schutzdienst.

Arsène Perroud | Präsident KES Dienst Bezirk Bremgarten,
Gemeindeammann Wohlen

Schlussfolgerung: Nicht in allen Regionen des Kantons ist ein ausreichendes, vorgelagertes, niederschwelliges Beratungsangebot für Kinder, Familien und Einzelpersonen zugänglich. Fehlt es, kann das zu erhöhten Belastungssituationen der Betroffenen führen und kostspielige Massnahmen im zivilrecht- lichen Kindes- und Erwachsenenschutz zur Folge haben.

Der Kanton Aargau verfügt über kein Kinder- und Jugendhilfegesetz, das eine flächendeckende Versorgung sicherstellt und die notwendige Qualität und Finanzierung verbindlich regelt.

Vorgelagerte Dienstleistungen haben eine Schutzwirkung. Sie unterstützen alle Personen in belasteten Lebenssituationen und wirken der Entstehung und Chroni­fizierung von Problemen entgegen.

Die Verfügbarkeit solcher Dienstleistungen steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Entwicklungen im zivilrechtlichen Kindes- und Erwachsenenschutz. In Bezirken mit kaum vorgelagerten Dienstleistungen werden in der Regel mehr KES-Massnahmen verzeichnet.

Handlungsempfehlung: Der Ist-Stand der vorhandenen vorgelagerten Dienstleistungen sowie der Versorgungsbedarf in den jeweiligen Einzugsgebieten sollte dringend durch den Kanton erhoben werden. Qualität, Quantität und Kosten sollten daraus ersichtlich werden. Eine lückenlose Versorgung ist sicherzustellen.

Fazit

Handlungs­bedarf erkennen und umsetzen

Wenn alle beteiligten Instanzen den ausgewiesenen Handlungsbedarf erkennen und anhand der KOKES-Empfehlungen umsetzen, werden die Dienste im Kanton Aargau stabiler, qualitativ hochstehender, effizienter und transparenter. Die sehr hohe Mitarbeiterfluktuation würde signifikant sinken. Die Gewinner sind Menschen, die unsere Hilfe benötigen und letztlich die ganze Gesellschaft.

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VABB
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Amselweg 12
CH-5616 Meisterschwanden
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